Das Weihnachtshochwasser 2023: Ein Rückblick mit den Einsatzkräften

Das Weihnachtshochwasser 2023: Ein Rückblick mit den Einsatzkräften

Seit dem Weihnachtshochwasser ist fast genau ein Jahr vergangen. Am 22. Dezember 2023 stieg der Pegel der Ems so stark, dass über Weihnachten hunderte Kräfte von Feuerwehr und Katastrophenschutz vier Tage lang im Dauereinsatz waren.

Zwei Tage vor Heiligabend 2023 war der Pegel der Ems so hoch, dass der „Stab für außerordentliche Ereignisse“ einberufen wurde. Es begann ein mehrtägiger Großeinsatz, der die Feuerwehr genauso forderte wie die Hilfsorganisationen DRK oder Malteser. Unterstützung kam auch vom THW, das Deichbau-Experten nach Warendorf schickte.

Zeit für einen Blick zurück: Ein Gespräch über die Situation vor einem Jahr und die Lehren daraus. Mit Tobias Aundrup, stellvertretender Leiter der Warendorfer Feuerwehr, Kreisbrandmeister Patrik Hillebrand und Frank Sölken, Amtsleiter und Feuerwehrchef in Warendorf.

Seit dem Weihnachtshochwasser hat Warendorf einen Sandsackvorrat – und eine Abfüllmaschine. Davor stehen Tobias Aundrup, stellvertretender Leiter der Feuerwehr, Kreisbrandmeister Patrik Hillebrand und Frank Sölken, Amtsleiter und Feuerwehrchef in Warendorf.

Die Situation an Weihnachten

„Die Wassermassen an den Feiertagen haben uns als Gesamtorganisation schon maximal gefordert. Das betraf die Gefahrenabwehr, also alle Hilfsorganisationen, die Feuerwehr und das THW, genauso wie das Krisenmanagement. Auch das der Stadt.“ – Tobias Aundrup

„Zahllose Einsatzkräfte waren nahezu vier Tage im Dauereinsatz. Parallel hat das Führungs- und Lagezentrum des Kreises Warendorf unter Leitung der Kreisbrandmeister die Lage an allen Weihnachtsfeiertagen fortlaufend neu bewertet. Wir als Kreis waren einbezogen, denn es gab zu der Zeit ja nicht nur in Warendorf Hochwasser.“ – Patrik Hillebrand

„Wir haben als Gesamtsystem nur so schnell und schlagkräftig reagieren können, weil wir die Lage schon in den Tagen vor dem 22. Dezember genau beobachtet haben. Wir konnten in diesem Fall ahnen, was auf uns zukommt.“ – Frank Sölken

Am Holzbach wurde in wenigen Stunden eine Sandsack-Produktion aufgebaut, aus der auch andere Kommunen im Kreis beliefert wurden.

Was gut gelaufen ist

„Über Situationen wie solch ein Hochwasser sprechen wir nicht nur, wenn es so weit ist. Die Kommunikation und die Lagebewertung für solche Ereignisse findet das ganze Jahr über statt, bei Bedarf dann verdichtet. Wir üben das, und die Prozesse haben funktioniert.“ – Patrik Hillebrand

„Wir haben als Instrument die stabsmäßige Führungsgruppe, die dann auch bei diesem Hochwasser durchgehend getagt hat. Darin arbeiten wir mit den Hilfsorganisationen und dem Technischen Hilfswerk zusammen.“ – Frank Sölken

„Das hat sich an Weihnachten sehr bewährt. In einer solchen Runde üben wir dauerhaft und bilden uns fort.“ – Tobias Aundrup

Was besser werden muss

„Das Hochwasser hat sich schnell und dynamisch entwickelt. Wir haben festgestellt, dass wir teils doch länger gebraucht haben in der Reaktion. Etwa beim Bau der Sandsack-Barrieren, das hätte schneller gehen können.“ – Frank Sölken

„Diese Reaktionszeit lässt sich verkürzen, indem wir keine Sandsäcke stapeln, sondern anderes Material einsetzen. Deshalb brauchen wir die weitere Anschaffung von Mobilen Hochwasserschutzeinrichtungen.“ – Tobias Aundrup

Der Löschzug Einen-Müssingen musste eine eingeschlossene Schafherde mit dem Boot retten.

Welche Aufgaben bleiben

„Wir sind uns einig, dass wir mehr Vorbereitung und mehr Vorplanung brauchen, auch mit neuen Instrumenten, um effektiv und schnell reagieren zu können. Besonders bei sehr plötzlich auftretenden Ereignissen, die Menschen gefährden.“ – Patrik Hillebrand

„Wir müssen davon ausgehen, dass das Tempo steigt. Die Anpassung an die Klimaveränderung ist eine Aufgabe, die sich dauernd beschleunigt. Deshalb ist der Katastrophenschutz ein existenzieller Bestandteil der Klimafolgenanpassung.“ – Frank Sölken

„Wir gehen davon aus, dass die Abstände zwischen solchen Ereignissen wie dem Weihnachtshochwasser kürzer werden. Aber sie werden nie zur Routine, denn die Situationen werden immer anders sein. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus anderen Jahren helfen uns, aber nur begrenzt.“ – Tobias Aundrup

Mehrere Hilfsorganisationen sorgten für die Verpflegung der Einsatzkräfte, hier die Malteser.

Was getan wird

„Die Überwachungssysteme und Pegelmessungen werden dauernd optimiert und fortgesetzt. Der Kreis Warendorf setzt sich gerade mit einem KI-gestützten Hochwasservorhersage-und Warnsystem auseinander. Damit könnte gemeinsam mit den Gemeinden ein flächendeckendes System der Vorwarnung und Vorhersage geschaffen werden.“ – Patrik Hillebrand

„Zwei große Herausforderungen, die uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten am ehesten begegnen werden, sind Hochwasser und Starkregen.
Wir brauchen natürlich Material, also leistungsfähige Pumpen und Schläuche mit viel Volumen. Aber genauso wichtig ist die Warnung der Bevölkerung.“
– Tobias Aundrup

Wir haben die Zahl der Sirenen inzwischen verdoppelt. Aber wir müssen Lücken im Warnnetz schließen. Kreis und Stadt arbeiten hier Hand in Hand.“ – Frank Sölken

Welche Rolle die „Neue Ems“ spielen wird

„Die Renaturierung der Ems soll dazu beitragen, dass der Hochwasserschutz für die Stadt besser wird. Diese Maßnahmen sind auch aus Sicht von Feuerwehr und Katastrophenschutz natürlich hilfreich und sehr sinnvoll.“ – Frank Sölken

„Die ‚Neue Ems‘ bedeutet aber nicht, dass es kein Hochwasser mehr geben wird. Der Klimawandel macht solche Ereignisse wahrscheinlicher, auch mit einer renaturierten Ems. Und das Risiko von Starkregenereignissen bleibt, unabhängig von der ‚Neuen Ems’“ – Tobias Aundrup

Auf was wir uns einstellen müssen – neben Hochwasser

„Als Vorbereitung auf Starkregenereignisse werden im Moment sogenannte ‚Gefahrenkarten‘ erarbeitet. Es wird vor Weihnachten bereits mit weiteren Ergebnissen gerechnet, die Anfang 2025 zu erwarten sind.“ – Frank Sölken

„2025 werden alle Ortsteile angeschaut, um auch dort die Risiken von Starkregen neu einzuschätzen. Damit Feuerwehr und Katastrophenschutz sofort wissen, wo die Gefahrenschwerpunkte sind.“ – Tobias Aundrup

„IIn Zukunft ist es wahrscheinlich, dass es solche Einsätze häufiger geben wird und sie länger andauern können. Für uns hat sich gezeigt, dass die personellen Kapazitäten im Ehrenamt dafür knapp sind. Wir brauchen mehr Menschen für das Ehrenamt im Katastrophenschutz und der täglichen Arbeit der Feuerwehren.“ – Patrik Hillebrand

Sandsack-Bau bei Nacht: Die Einsatzkräfte am Nordufer der Ems.

Was die Bürgerinnen und Bürger tun können

„Jeder, wirklich jeder, sollte sich auf unvorhersehbare Ereignisse und Katastrophenszenarien vorbereiten. Warnungen sollten jederzeit ernst genommen werden, um sicherzustellen, dass es keine Opfer gibt.“ – Patrik Hillebrand

„Wichtig ist die Vorplanung für Starkregen und Hochwasser. Für Keller, Häuser und Wohnungen. Dazu gibt es zahlreiche Hilfen und Informationen. Niemand muss sie auswendig lernen, aber man sollte sie schonmal gesehen haben und im Hinterkopf behalten.“ – Frank Sölken

Weitere Informationen

Der Zivil- und Katastrophenschutz rückt wieder in den Fokus. Auf zahlreichen offiziellen Webseiten gibt es Tipps und Informationen zu unterschiedlichen Szenarien.

Zum Thema Starkregen auf der Webseite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.
Zu Naturgefahren auf der Webseite der Bundesregierung.

Angebote gibt es inzwischen auch speziell für Schulen.

Quelle: Westfälische Nachrichten

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