„Die alten Fahrzeuge haben wir oft noch anschieben müssen und die alten Schläuche hatten wir von der Wehrmacht.“ Wenn Bernhard Gnegel von den alten Zeiten spricht, muss man recht häufig schmunzeln. „Wir trugen ja auch noch die Pickelhaube“, erinnert sich der 1928 Geborene, der in wenigen Tagen seinen 96. Geburtstag feiert.
Er spricht von einer Zeit, als die meisten Jungs in seinem Alter braune Hemden trugen – und viele von ihnen die entsprechende Gesinnung. „Wir wollten nicht in die Hitlerjugend“, sagt er, weshalb er sich 14-jährig mit einigen Kameraden für die Feuerwehr entschieden habe. Da waren sie der Polizei unterstellt und wichtig für den sogenannten Heimatschutz. Wobei die Feuerwehr eigentlich gar nicht mehr existierte. „Da war noch einer da, nee, zwei“, sagt er. „Wir haben die erst wieder aufgebaut.“
Sein offizielles Eintrittsdatum war der 1. Oktober 1943. Zehn oder elf Leute zählten sie damals im „Halblöschzug der Freiwilligen Feuerwehr Warendorf“. Gnegel hat die Erinnerung lebhaft vor Augen. Mit einer alten DKW-Spritze, die an der jetzigen Heinrich-Tellen-Schule zwischen den beiden Toiletten stand und sehr umständlich zu bedienen war, rückten sie aus, wenn es brannte. „Ein Auto hatten wir aber schon, von Strathmann“, was damals für die Freiwillige Feuerwehr Neuwarendorf eine echte Errungenschaft darstellte. Die Ernüchterung folgt sofort, denn Gnegel fügt an: „Das durften wir uns dann leihen!“ Bis der Anhänger am Auto angebracht war und das Auto losfuhr, verging einige Zeit. Wahrscheinlich seien die Autos damals grün gewesen, später blau und erst lange danach rot, so seine Erinnerung. „Die Überfallhose war braun mit Hakenkreuz“, sagt er verächtlich.
Sehr freundlich dagegen sind seine Erinnerungen an die Polizei. „Hatten wir ein gutes Verhältnis zu, und wenn mal Alkohol im Spiel war hieß es einfach: Fahr‘ weiter!“, erzählt er lachend. Allerdings war nicht alles so locker, denn schließlich war um 22 Uhr Polizeistunde. Worauf manche Wirte einfach die Türen abschlossen und die Anwesenden als „Geschlossene Gesellschaft“ bezeichneten.
Als er in Gefangenschaft war, nahm seine Mutter die Uniform, schnitt alle Erinnerungen an die Nazizeit ab und heraus und färbte den Rest einfach blau. Und als die Amerikaner in den Häusern die Schränke kontrollierten, konnte sie beruhigt „Feuerwehr“ sagen. Damit war alles „okay“.
Besonders gern erinnert sich der gelernte Schlosser an die gute Kameradschaft. Die brauchten sie mit ihren einfachen Ausrüstungen auch. Der Oberfeuerwehrmann erinnert sich an zahlreiche Brände auf Bauernhöfen. Selbstentzündende Heuballen, Dachpfannen aus Glas mit Blasen drin, die wie Brenngläser wirkten – früher habe man viele Auslöser von Bränden nicht als solche gekannt. Sogar einen Feuerteufel habe es gegeben, quasi jede Woche seien sie ausgerückt. Verkehrsunfälle habe es – mangels Verkehr – weniger gegeben.
Erinnerungen sind für Wehr Gold wert
1988 wechselte Gnegel im Alter von 60 Jahren in die Ehrenabteilung. Mittlerweile kann er damit auf 80 Jahre Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr zurückblicken und ist, soweit bekannt, der dienstälteste Feuerwehrmann im ganzen Kreis Warendorf und vielleicht darüber hinaus. Für diesen schier unglaublichen Zeitraum erhielt er im Frühjahr die erst jüngst geschaffene Ehrennadel für 80-jährige Mitgliedschaft. Er selbst könnte stundenlang darüber erzählen, sagt er. Und das ist gut so. Denn damit war es der Freiwilligen Feuerwehr Warendorf möglich, die bisher bekannten Geschichten und Ereignisse zu ergänzen und für die Nachwelt zu erhalten.
Empfänger im Flur: Familie hört mit
Bernhard Gnegel gibt ehrlich zu, dass er nicht immer Lust hatte, zum Brand zu eilen. „Passierte ja meistens nachts!“ Dann habe ihm seine Frau, die er nicht aus einem Feuer gerettet, sondern auf einem „Holschkenball“ kennengelernt hatte, die Hose hingehalten und ihn nachdrücklich zum Einsatz geschickt – obwohl die Partnerinnen damals vielleicht größere Sorgen um ihre Männer hatten, als mit den modernen Ausrüstungen heute.
Informiert wurden die Feuerwehrleute ganz früher nur über die Sirenen, später über Funkempfänger, die den gesamten Funkverkehr der Behörden wiedergaben. Die Empfänger standen meist im Hausflur, sodass die Frauen und Kinder den Verlauf der Einsätze mithören konnten. Die waren mitunter recht abenteuerlich: „Vohren, Sägewerk Heitmann, drei Spritzen im Einsatz für die Wasserversorgung“, erzählt Gnegel. Damals noch ohne Funk.
Damit die Schläuche bei einem Brandeinsatz nicht platzten, wenn die vorderste oder mittlere Spritze das Wasser abstellte, „musste ein Melder hin und herfahren“. Sein breites Grinsen zeigt, dass man die Situationen mit Humor nahm – nehmen musste.
Wie auch die weiteren Umstände. Zwar wurden sie bei den Einsätzen von den Nachbarn immer gut versorgt – die dauerten ja oft viele Stunden. Aber da war auch der Geruch der Kleidung und des Körpers, wenn man von den Bränden nach Hause kam. Der Rauch hatte sich in fast jeder Pore festgesetzt. Gnegel bringt es auf den Punkt: „Wir haben gestunken und dann natürlich auch die ganze Bude“, sagt er. Mit drei Mädchen im Haus sei das Badezimmer jedoch meist besetzt gewesen, sodass er sich schließlich im Keller eine Dusche einbaute.
Quelle: Die Glocke