Als Mirjam Pollmeyer 1999 das erste Mal bei einem Gruppendienst der Freiwilligen Feuerwehr auftauchte, war das Erstaunen groß: „Upps“, habe sich der ein oder andere Feuerwehrmann wohl gedacht, erinnert sich die Warendorferin, dass die Männer teils überrascht und auch etwas überfordert gewesen seien. Eine Frau im Dienst der Feuerwehr?
Das hat es damals in Warendorf noch nicht gegeben. Die Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr war klar Sache der Männer. Aber die damals 25-Jährige blieb unbeeindruckt: „Sie kannten mich ja durch meinen heutigen Ehemann.“ Blöde Sprüche und abwertende Kommentare habe es von den Kollegen bei aller Überraschung trotzdem nicht gegeben. „Die kamen eher aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis“, erinnert sich Pollmeyer an Aussagen wie „Was machst Du denn bei der Feuerwehr – Kaffeekochen oder was?“ Denen habe sie erstmal erklären müssen, dass sie alles mache, was Männer auch machten.
Doch auch davon ließ sich die gelernte Bürokauffrau nicht irritieren. Im Gegenteil. Sie blieb und wurde die erste Feuerwehrfrau in der Emsstadt. Zwar habe noch eine Frau damals ihr Interesse bekundet und die Grundausbildung mit ihr begonnen, „aber sie hat nicht durchgehalten“. Am 19. Juli feiert Mirjam Pollmeyer ihre 25-jährige Mitgliedschaft. Feiern lassen kann sie sich aber vor allem als Pionierin: „Ich habe damals eine Welle losgetreten.“
Was oft noch mehr als die körperliche Belastung zehrt, ist die seelische. Freud und Leid liegen sehr nah beieinander. „Es gibt Einsätze, die bekommst du nicht mehr aus dem Kopf. Die brennen sich tief in dein Gedächtnis ein“, berichtet sie von den Erfahrungen – auch innerhalb ihrer Familie.
Es sind vor allem schwere Unfälle mit Todesfolge, die belasten. Einer dieser Unfälle sei der Tod eines 18-Jährigen gewesen, der im Bereich Warendorfs die Bahnschienen auf der Strecke Münster – Rheda-Wiedenbrück mit seinem Fahrrad überqueren wollte und dabei vom Zug erfasst und tödlich verletzt wurde. „Dieser Einsatz ging meinem Mann sehr nahe.“ Sie selbst werde den Unfalltod eines jungen Mannes nie vergessen. Und dann gibt es die Einsätze, die lustig und herzerwärmend sind – „die Tierrettung“ gehört dazu.
Was in diesen Situationen – außer Gesprächen mit Notfallseelsorgern – trägt, ist die Familie. Nicht nur die eigene. „Wir sind eine Feuerwehrfamilie und die Feuerwehr ist wie eine Familie“, sagt Mirjam Pollmeyer stolz. „Kameradschaft wird großgeschrieben.“ Obwohl sie während ihrer Einsätze schon viel gesehen hat, „stumpft man nie ab“ betont sie, „dass das auch nicht sein darf“.
Die Leidenschaft für dieses Ehrenamt haben sie und ihr Mann auch an den 19-jährigen Sohn weitergegeben. „Allerdings sind wir alle drei in unterschiedlichen Gruppen tätig“, verrät sie mit einem Schmunzeln. Ein Einsatzgebiet macht ihr schon seit mehr als zehn Jahren besondere Freude: Sie hat sich zur freiwilligen Brandschutzerzieherin ausbilden lassen und organisiert unter anderem im Rahmen der Ferienspieltage den Besuch von Kindern bei der Feuerwehr am Holzbach. Ein Lieblingsfahrzeug bei der Feuerwehr hat die 50-Jährige auch. „Das ist eindeutig die Drehleiter“, erklärt die Feuerwehrfrau, dass sie sich schon immer für Technik begeistert habe. Kein Wunder, gehört die Drehleiter doch mit zu den eindrucksvollsten Fahrzeugen der Retter.
Wenig überraschend ist somit ihr zweites Hobby, für das sie sich neben dem Ehrenamt begeistert: „Ich haben den großen Motorradführerschein gemacht“, erzählt Mirjam Pollmeyer, dass sie mit Feuerwehrkollegen aus Beelen gern Motorradtouren macht.
Die Vorreiterin in Sachen Frauen bei der Warendorfer Feuerwehr hat jedoch nicht nur gute Erfahrungen angesichts ihres Einsatzes für Menschen in Not gemacht. Wie zunehmend von Rettungskräften, Polizei und Feuerwehr berichtet wird, kann auch sie bestätigen, dass die Stimmung in der Gesellschaft aggressiver geworden sei und Helfer in Einsätzen behindert oder sogar bedroht würden. Das sei besorgniserregend und beängstigend. Sie selbst habe bei einem Einsatz erlebt, dass sich ein Mann ihren Anweisungen widersetzt habe. „Da hatte ich durchaus das Gefühl, dass das mit meinem Geschlecht zusammenhing. Solche Menschen nehmen eine Frau offenbar nicht für voll und trauen sich mehr als vielleicht bei männlichen Kollegen.“s
Quelle: Die Glocke